Besinnlichkeit
Quelle: Pfarrer Frank Dönges
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BESINNLIKCHKEIT
Mit diesem Wort verbinde ich die Advents- und Weihnachtszeit.
Wir erinnern uns „alle Jahre wieder“ an ein Geschehen, das historisch belegt ist und gleichzeitig unser Verständnis der Geschichte sprengt (EG 23,3).
Die Geburt Jesu als Menschwerdung Gottes. Der ewige Gott nimmt unser zeitlich begrenztes Leben an. Der Beginn der Heilsgeschichte.
Eine Geschichte der Erlösung, die mit der Auferstehung zu ihrem Ziel kommt. Kurz zusammengefasst werden wir erlöst von einem zeitlich begrenzten Leben, von Leid und Schmerzen unterschiedlicher Art, vom völligen Verschwinden und davor, in Vergessenheit zu geraten. Deshalb erinnern wir uns.
Jedes Jahr hören wir die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-evangelium. Immer dieselbe Geschichte. Für manche von uns ist das langweilig. Aber Erinnerung ist lebenswichtig. Denken wir an unsere Familiengeschichte. Wer war unsere Mutter, unser Vater? Woher kamen unsere Großeltern? Solche Geschichten werden uns erzählt, wenn wir heranwachsen. Sie werden uns erzählt, weil sie unsere Identität begründen. Woher wir kommen, von wem wir unseren Familiennamen erhalten haben und von welchen Menschen wir geprägt wurden oder unsere genetischen Anlagen geerbt haben. Solche Familiengeschichten werden immer wieder erzählt. So oft, dass wir sie manchmal nicht mehr hören wollen. Doch wir greifen immer wieder auf sie zurück, wenn wir auf fremde Menschen treffen: „Wie heißt Du, wer bist Du, wo kommst Du her?“ Diese Familiengeschichten sagen, wer wir sind. Wir haben sie verinnerlicht. Darum geht es auch bei der Weihnachtsgeschichte.
Eine Strophe aus dem „Cherubinischen Wandersmann“ von Angelus Silesius spricht mich jedes Jahr in der Advents- und Weihnachtszeit ganz besonders an:
„Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren,
und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren“
Auf diese Weise wird Erinnerung zur Verinnerlichung. Die verinnerlichte Familiengeschichte bringt zum Ausdruck, wer ich in diesem zeitlich begrenzten Leben bin. Von der Wiege bis zur Bahre, von Geburt bis zum Tod bin ich von ihr geprägt. Die verinnerlichte Weihnachtsgeschichte bringt zum Ausdruck, wem ich meine Existenz verdanke. Die Fragen nach meiner Identität werden damit viel umfassender beantwortet: „Woher komme ich, wer bin ich, wohin gehe ich?“ Als Geschöpf Gottes bin ich Bruder bzw. Schwester Jesu, von Gott gewollt, von Gott ins Leben gerufen. Als Bruder bzw. Schwester Jesu bin ich Christ bzw. Christin. Damit habe ich bereits jetzt Anteil an seinem Leben, gehöre zur Gemeinschaft der Familie Gottes. Und so, wie ich bereits jetzt am Leben Christi Anteil habe, werde ich auch an seiner Auferstehung Anteil haben (vgl. Röm. 6, 5ff.)
So besingen wir es in unseren Weihnachtliedern mit verschiedenen Worten, aber stets mit der Freude über die Geburt unseres Erlösers.
Heute geht aus seiner Kammer Gottes Held, der die Welt reißt aus allem Jammer. Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute, Gottes Kind, das verbind’t sich mit unserm Blute.
(EG 36 „Fröhlich soll mein Herze springen“, Strophe 2).
So wünsche ich Ihnen eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit.
Frank Dönges, Pfr.